Die alarmierende Situation junger Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Schweiz wirft dringende Fragen zur Invalidenversicherung (IV) auf. Laut einem Bericht von SRF beziehen derzeit 7399 Personen im Alter von 18 bis 24 Jahren eine IV-Rente aufgrund psychischer Probleme. Dies entspricht etwa zwei Dritteln aller Bezüger in dieser Altersgruppe.

Die IV-Stellen-Konferenz (IVSK) zeigt sich besorgt über diese Entwicklungen und schlägt erhebliche Reformen vor. Der Vizepräsident der IVSK, Thomas Pfiffner, plädiert dafür, dass junge Menschen unter 30 Jahren keine IV-Rente mehr erhalten sollen. Stattdessen wird eine reduzierte Entschädigung ins Auge gefasst, die an spezifische Bedingungen geknüpft ist, wie etwa die Teilnahme an Integrationsmaßnahmen und Behandlungen. Ziel dieser Maßnahmen ist ein aktives Case-Management, das den Betroffenen helfen soll, schneller zurück ins Erwerbsleben zu finden.

Reformen für eine effektivere Unterstützung

Um die Rückkehr ins Erwerbsleben zu erleichtern, schlägt die IVSK darüber hinaus die Einführung befristeter IV-Renten von drei Jahren vor. Aktuell gestaltet sich die Rückkehr für Rentenbezieher als schwierig, insbesondere aufgrund hoher Hürden bei der Entziehung von IV-Renten. Ein nachgewiesener Verbesserung des Gesundheitszustands ist erforderlich, was viele Betroffene vor große Herausforderungen stellt.

Die IVSK hat diese Vorschläge dem Bundesrat unterbreitet, der voraussichtlich vor den Sommerferien über die Angelegenheit diskutieren wird. Die Verankerung solcher Änderungen könnte tiefgreifende Auswirkungen auf die Zukunft junger Menschen mit psychischen Erkrankungen haben.

Strukturiertes Beweisverfahren seit 2015

Ein weiterer zentraler Aspekt der Diskussion ist das im Jahr 2015 eingeführte strukturierte Beweisverfahren des Bundesgerichts zur Prüfung des Rentenanspruchs bei psychischen Erkrankungen. Wie sozialesicherheit.ch berichtet, sind psychische Erkrankungen oft schwerer nachweisbar als somatische Gebrechen. Die IV-Stellen nutzen unterschiedliche Indikatoren zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, hierzu gehören unter anderem die Schwere der gesundheitlichen Schädigung sowie der soziale Kontext.

Die Einführung des strukturierten Beweisverfahrens hat signifikante Auswirkungen auf den Anteil psychisch bedingter Neurenten: Dieser stieg von 42 % im Jahr 2017 auf 49 % im Jahr 2021. Besonders betroffen sind junge Menschen unter 35 Jahren, wobei ein auffälliger Anstieg bei Frauen und in der lateinischen Schweiz zu verzeichnen ist.

Zusätzlich zeigen Analysen, dass die Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen dazu geführt haben könnten, dass die Wahrscheinlichkeit für eine IV-Rente bei psychischen Erkrankungen gestiegen ist. Eindeutige statistische Nachweise für die Kausalität zwischen den rechtlichen Änderungen und den erhöhten Rentenzahlen stehen jedoch noch aus.

Die IVSK und andere Institutionen stehen vor der Herausforderung, diese komplexen Probleme zu adressieren, während sie gleichzeitig die Unterstützung für junge Menschen mit psychischen Erkrankungen verbessern. Die kommenden Diskussionen des Bundesrates werden entscheidend sein für die Gestaltung einer zukunftsfähigen IV.